„Gefahrengebiet“: Experiment oder Wahnsinn?

Am vergangenen Wochenende waren Neustadtpiraten bei Hamburger Pirat*innen zu Besuch und haben sie durch das so genannte „Gefahrengebiet“ begleitet.

Nun stellt sich ihnen die Frage:

Das Hamburger „Gefahrengebiet“ – Experiment oder Wahnsinn?

Inhaltsverzeichnis

Die Vorgeschichte
Lampedusa in Hamburg: Rassistische Hetzjagd statt Bleiberecht?
Esso-Häuser und Rote Flora: Existenz versus Profit
Demonstration am 21. Dezember: Geplante Eskalation?
Angeblicher Angriff auf Davidwache: Polizei verstrickt sich in Widersprüche

Das „Gefahrengebiet“
Eine Nacht im „Gefahrengebiet“: Von Ketten und Kesseln
Alltag im „Gefahrengebiet“: Willkür und Polizeigewalt
Die Suche nach dem Sinn: Experiment oder Wahnsinn?

Die Vorgeschichte

Die Hamburger SPD steht nach einer knapp dreijährigen Amtszeit ihres Bürgermeisters Olaf Scholz vor einem politischen Scherbenhaufen.

Lampedusa in Hamburg: Rassistische Hetzjagd statt Bleiberecht?

Bereits seit März kämpft die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“, bestehend aus rund 300 Geflüchteten, für ein gemeinsames, dauerhaftes Bleiberecht. Sie erfährt dabei große Unterstützung durch Anwohner*innen des Stadtteils St. Pauli, Mitglieder von Kirchenverbänden und Vereinen, Künstler*innen, Fußballfans, Partei- und Gewerkschaftsmitglieder, sowie verschiedene Gruppen der linken Szene.

Im November stellten 111 Hamburger Rechtsanwält*innen eine Bleiberechtslösung (PDF) nach § 23 AufenthG vor, die sie ausdrücklich unterstützten. Dieser Forderung waren massive Polizeikontrollen vorausgegangen, bei denen die Polizei im großen Maßstab das rassistische und verfassungswidrige „Racial Profiling“ einsetzte – und das nur zwei Wochen nach dem schweren Bootsunglück vor Lampedusa, das ca. 390 Geflüchteten das Leben kostete. Kritiker*innen sprechen von einer rassistischen Hetzjagd.

Doch der Senat zeigt sich weiterhin unnachgiebig. Daraufhin verstärkten sich die Proteste deutlich. Am 2. November demonstrierten etwa 15.000 Menschen für die Geflüchteten und am 12. Dezember beteiligten sich rund 3.500 solidarische Schüler*innen an einem stadtweiten Schulstreik – trotz Einschüchterungsversuchen der Schulbehörde. Vor der Hamburger SPD-Zentrale machten sie ihrem Ärger sichtbar Luft.

068_12122013Schulstreik – CC BY-NC-ND 2.0 md-protestfotografie.com

Esso-Häuser und Rote Flora: Existenz versus Profit

Bereits seit 2010 treten in der „Initiative Esso Häuser“ Bewohner*innen für die Sanierung ihres Wohnraums ein, während die Eigentümerin, die Bayerische Hausbau, den Abriss des verfallenen Gebäudekomplexes plant. Immer wieder kam es zu Protesten für den Erhalt, im April demonstrierten dafür 1.500 Menschen. Durch unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen hat sich die Wohnqualität immer weiter verschlechtert, bis die Bewohner*innen in der Nacht zum 15. Dezember schließlich zwangsevakuiert wurden. Anfang Januar begann nun die Räumung der Wohnungen.

In seiner Existenz bedroht ist auch das Stadtteilkulturzentrum „Rote Flora“. Das wohl berühmteste besetzte Haus Deutschlands ist bis heute ein Symbol für linken Widerstand gegen Gentrifizierung und deren Folgen. 2001 verkaufte die Stadt Hamburg es – vermutlich aus wahlkampftaktischen Gründen – überraschend an den Immobilienkaufmann Klausmartin Kretschmer, der zunächst zusicherte, nichts am Status der Roten Flora verändern zu wollen. 2009 brachte er im Stadtmagazin „Szene Hamburg“ jedoch erstmals die Räumung des Gebäudes ins Gespräch.

Im Oktober unternahm Kretschmer den Versuch, ein Konzert von Fettes Brot zu verhindern, indem er der Band ein Hausverbot aussprach und eine Nutzungsgebühr verlangte. Als das Konzert unter dem Andrang von bis zu 2.000 Menschen dennoch stattfand, zeigte er Fettes Brot wegen Schweren Hausfriedensbruch und Landfriedensbruch an. Im Dezember stellte Kretschmer den Besetzer*innen ein Ultimatum und verlangt nach dessen Auslaufen am 20. Dezember die Räumung sowie eine Nutzungsgebühr von 25.000 € pro Monat – plus Mehrwertsteuer.

Rote FloraRote Flora – CC BY 2.5 Torklugnutz

Demonstration am 21. Dezember: Geplante Eskalation?

Am 21. Dezember wurde zu einer bundesweiten und internationalen Demonstration zum Erhalt der Roten Flora, der Esso-Häuser und für das Bleiberecht der Geflüchteten aufgerufen (PDF). Bereits im Vorfeld fand eine umfangreiche Medienberichterstattung statt, die vor „gewaltbereiten Linksextremen“ warnte. Die Polizei erklärte die komplette Innenstadt zum so genannten „Gefahrengebiet“, um ihre Beamt*innen mit umfangreichen Sonderrechten auszustatten.

Am Vortag zerschlug eine Gruppe Unbekannter Scheiben an Polizeifahrzeugen und der Davidwache. Die genehmigte Route wurde aus der Innenstadt verlegt und mehrfach geändert, gerichtliche Einsprüche dagegen blieben erfolglos.

Am Tag der Demonstration gab es 12 Uhr zunächst eine friedliche Kundgebung von „Lampedusa in Hamburg“ am Steindamm, an der etwa 900 Menschen teilnahmen. Um 13:30 Uhr sammelte sich dann der Demonstrationszug mit bis zu 10.000 Teilnehmer*innen auf dem Schulterblatt. Nach mehreren Wortbeiträgen setzte er sich kurz nach 15 Uhr auf der genehmigten Route in Bewegung, wurde aber bereits nach wenigen Metern von herbeieilenden Polizeieinheiten gestoppt, die dabei Augenzeugenberichten zufolge bereits Schlagstöcke und kurze Zeit später auch zwei Wasserwerfer einsetzten.

Begründet wurde dies zunächst mit einem „verfrühtem Loslaufen“ der Demo. In einer anschließenden Pressemitteilung der Hamburger Polizei hieß es dann aber, zu diesem Zeitpunkt habe es bereits Steinwürfe gegeben. Als die Spitze des Demonstrationszuges begann, sich gegen den plötzlichen Angriff zur Wehr zu setzen, eskalierte die Situation völlig.

Nach anfänglicher kritikloser Übernahme ihrer Pressemitteilung mehrten sich im Nachhinein die Zweifel an der Darstellung der Hamburger Polizei. Auch die zunächst sehr einseitige Berichterstattung vieler Medien geriet zunehmen in die Kritik. Während der stellvertretene Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Hessen alle Demonstrant*innen auf Twitter pauschal als „Abschaum“ bezeichnete, ging Thomas Wüppesahl, Sprecher der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten“, hart mit der Hamburger Polizei ins Gericht: Mit politischer Rückendeckung agiere sie gegen das Gesetz und lüge systematisch.

In einer öffentlichen Sitzung des Innenausschusses der Hamburger Bürgerschaft am 7. Januar sorgten Innensenator Neumann (SPD) und Einsatzleiter Peter Born für Gelächter, sogar unter den anwesenden Pressevertreter*innen. Es gebe „eigentlich kein konkretes politisches Problem“ in Hamburg und der Polizei „seien nur zwei verletzte Demonstrant*innen bekannt.“

Der Ermittlungsausschuss Hamburg spricht von bis zu 500 Verletzten auf Seiten der Teilnehmer*innen, davon 20 Schwerverletzte. Eine aufgebrachte Anwohnerin berichtete von einem ohnmächtigen Unbeteiligten, der von der Polizei weiter angegriffen wurde.

Die taz berichtete unter Berufung auf Polizeikreise von einer gezielten Eskalation, bei der bewusst „Kollateralschäden“ in Kauf genommen wurden. Zudem habe, als bereits schwere Ausschreitungen tobten, ein Hamburger Einsatzleiter zu einem Offizier der Bundespolizei gesagt: „Es läuft alles nach Plan.“

Angeblicher Angriff auf Davidwache: Polizei verstrickt sich in Widersprüche

Am 29. Dezember sorgte eine weitere Pressemitteilung der Hamburger Polizei für Aufsehen: Die Davidwache sei von 30 bis 40 vermummten Personen mit Sprechchören („Scheißbullen“, „Habt ihr immer noch nicht genug?“) belegt und herauskommende Polizeibeamt*innen mit Stein- und Flaschenwürfen angegriffen worden. Gegenüber der Morgenpost drohte die Polizei daraufhin mit Schusswaffengebrauch, sollte sich dies wiederholen.

Schon bald kamen erneut Zweifel an den Darstellungen der Hamburger Polizei auf. Rechtsanwalt Andreas Beuth bezweifelte, dass der Angriff überhaupt stattgefunden habe. Laut Polizei gab es keine Videoaufnahmen, da die Kamera aufgrund „datenschutzrechtlicher Bestimmungen“ keine Aufzeichnungen mache. Schließlich korrigierte auch sie ihre Darstellung und sprach nun von angegriffenen Polizist*innen 200 Meter von der Wache entfernt.

Inzwischen veröffentlichte Publikative.org den anonymisierten Augenzeugenbericht eines der Redaktion bekannten „Pärchens aus Bremen“, das stattdessen von einem gezielten Angriff eines Polizeibeamten auf einen friedlichen Fußballfan berichtet. Bereits 2009 war die Hamburger Polizei mit einem rätselhaften, brutalen Polizeiüberfall auf die St. Pauli-Fankneipe „Jolly Roger“ in die Schlagzeilen gekommen und auch sonst hat Einsatzleiter Peter Born einen eher zweifelhaften Ruf.

Nichtsdestotrotz wurde der angebliche Angriff zum Anlass genommen, St. Pauli, Altona und die Sternschanze auf zunächst unbestimmte Zeit zum „Gefahrengebiet“ zu erklären, in dem die Polizei willkürliche Personenkontrollen und Ingewahrsamnahmen durchführen sowie Platzverweise und Aufenthaltsverbote aussprechen kann.

DavidwacheDavidwache – CC BY-NC 2.0 Nils

Das „Gefahrengebiet“

Sofort kam es zu täglichen, massiven Protesten gegen diese Maßnahme und die „Lügen“ der Hamburger Polizei. Eine vor laufenden Kameras von einem Polizeibeamten konfiszierte Klobürste wurde zum Symbol für die vielfältigen Protestformen der Anwohner*innen: Spontandemonstrationen, angemeldete Demonstrationen, Fahrradtouren, Kissenschlachten und brennende Weihnachtsbäume, Flashmobs. Die Hamburger Polizei schien überfordert und verringerte das Gefahrengebiet schon bald auf drei kleinere „Gefahreninseln“. Faktisch änderte dies jedoch kaum etwas.

Eine Nacht im „Gefahrengebiet“: Von Ketten und Kesseln

Der Abend in Hamburg beginnt entspannt. Nach einem herzlichen Empfang durch Hamburger Pirat*innen ein erster Spaziergang durch’s „Gefahrengebiet“. Kinder spielen mit Klobürsten, in einem Buchladen nahe der Roten Flora gibt’s grad ein paar neue „FCK SPD“-T-Shirts. Die zugehörigen Kapuzenpullover sind schon längst ausverkauft. Zeitweise wurde der Verkauf komplett gestoppt, weil „der Andrang zu groß wurde.“

Unsere Gruppe lässt ein Auto passieren, das jedoch anhält. Die Beifahrerin fragt nach einer Klobürste und bekommt eine geschenkt. Für die Windschutzscheibe.

Auch sonst beherrscht die Klobürste die Nacht. Mit ihr werden Polizist*innen begrüßt, verabschiedet, Polizeiwagen geputzt und der Verkehr geregelt. Die Polizei schaut erstmal nur zu.

Als uns unsere Gastgeber*innen in eine Kneipe einladen wollen, dann der erste Kontakt mit der „Besatzungsmacht“. Die Straße zur Kneipe ist von einer Kette behelmter Polizist*innen abgesperrt, die sich weigern, uns durchzulassen – ohne Angabe von Gründen. Das einzige Statement, das einem Beamten nach längeren Diskussionen entlockt werden kann: „Sie können hier nicht durch, Sie gehören offensichtlich zu den Gefahrengebietsgegnern.“ Ob dieser Eindruck durch die bunten Haaren, die dunklen Sachen oder die Klobürsten erweckt wurde, lässt er jedoch offen.

Also entschließen wir uns, kurz umzudrehen, in einer Einfahrt zu verschwinden und den benachbarten Parkplatz zu nutzen um die Polizeikette zu umgehen. Auf der nächsten Straße werden wir wieder – diesmal wohl vom Einsatzleiter – angesprochen, der sich aber damit zufrieden gibt, uns einen kurzen Vortrag zu halten. Währenddessen kommt auch schon die mittlerweile aufgelöste Polizeikette angelaufen, etwas überrascht, uns hinter sich wiederzufinden.

Nach einem kurzen Kneipenbesuch hören wir von Polizeigewalt gegenüber Aktivist*innen auf dem Paulinenplatz. Dort angekommen, ist die Paulinenstraße von mehreren Dutzend Polizist*innen abgeriegelt. Hinter einer weiteren Kette befindet sich ein Polizeikessel, in dem anscheinend gerade Personalien aufgenommen werden. Davor, auf dem gesamten Paulinenplatz, eine immer größer werdende Anzahl interessierter und wütender Anwohner*innen und Besucher*innen. Kurz zuvor soll es hier zu Polizeiangriffen auf Aktivist*innen und Journalist*innen gekommen sein. Während einer von uns mit den Beamt*innen ins Gespräch zu kommen versucht, wird ein anderer von hinten geschubst, da er einem Beamten „zu nahe gekommen sei“.

Aus den umliegenden Fenstern und einer Kneipe tönen Sprüche gegen die Polizei. Gelegentlich erhellt ein Feuerwerkskörper die Szenerie.

Als sich der Kessel schließlich auflöst und die Polizeibeamt*innen fluchtartig die Straße räumen, folgen ihnen die Herumstehenden mit lauten „Haut ab!“- und „Lügner!“-Rufen. Schließlich ist die Straße frei, worauf sich – ausgehend vom Paulinenplatz – ein spontaner Protestzug mit bis zu 100 Menschen formiert, der lautstark 200 Meter die Wohlwillstraße hinunterzieht und in den Neuen Pferdemarkt biegt.

Am Grünen Jäger kommen plötzlich von mehreren Seiten Polizist*innen in Kampfmontur angerannt, worauf sich der Protestzug in alle Richtungen zerstreut. „Ihr rennt ja wie die Hasen“, kommentiert ein Beamter die Situation höhnisch. Ein kleiner Teil wird jetzt gekesselt – unter ihnen drei Piratenabgeordnete der Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen. Währenddessen positioniert sich der wütende Rest etwas abseits im Park und um den neuerlichen Polizeikessel herum.

Im Kessel will die Polizei unterdessen das Rauchen untersagen, worauf beherzte Menschen anfangen, Zigaretten und Astra an ihre Mitgekesselten zu verteilen. Eine umstehende Aktivistin hält ein Grundgesetz in die Luft und empfiehlt es den Beamt*innen lautstark als Lektüre. Zwischen Kesselinnerem und -äußerem werden Grußworte ausgetauscht.

Nachdem die Personalien aller im Kessel befindlichen Personen aufgenommen worden sind, verteilt sich die Menge in verschiedene Richtungen. Ein – wohl gut gemeinter – Rat eines Beamten: Wenn wir uns in Gruppen kleiner als 10 Leute und leise(!) durch das „Gefahrengebiet“ bewegten, würden sie uns auch in Ruhe lassen. Verhaltensregeln für den Ausnahmezustand.

GefahrengebietGefahrengebiet – Quelle: Borty Shanks, Credits: Björn Kiezmann

Alltag im „Gefahrengebiet“: Willkür und Polizeigewalt

Trotz dieser Eindrücke haben die Neustadtpiraten natürlich Glück gehabt, andere kamen nicht so glimpflich davon. Nach wie vor sucht der Ermittlungsausschuss Hamburg nach Zeug*innen für die Nacht von Freitag (10.01.) zu Samstag. Beim Stadtteilspaziergang wurde ein Demonstrant schwer am Kopf verletzt und gegen 2 Uhr soll am Paulinenplatz eine Person gezielt von Beamt*innen niedergeschlagen worden sein.

Der Piraten-Abgeordnete Nico Kern, Mitglied des Landtags Nordrhein-Westfalens, berichtet in einem Blogbeitrag über seine Erlebnisse am vergangenen Wochenende, an dem er Zeuge brutaler Polizeigewalt gegenüber Demonstrant*innen wurde.

Auch Pressevertreter*innen wurden durch Polizeiwillkür im „Gefahrengebiet“ in ihrer Arbeit eingeschränkt. Einem Fotografen wurde versucht, den Presseausweis zu entreißen, wodurch dieser zerbrach. Ein anwesender Kollege kritisierte das „aggressive Verhalten“ des Polizeibeamten. Immer wieder versuchte die Polizei, die Personalien von ausgewiesenen Pressevertreter*innen aufzunehmen.

Zivilcourage wurde ebenfalls nicht gern gesehen: Gegen den spontan gefundenen Anmelder eines Flashmobs am Sonnabendnachmittag hat die Polizei inzwischen Strafanzeige gestellt.

GefahrengebietGefahrengebiet – CC BY-SA 3.0 Emma7stern

Die Suche nach dem Sinn: Experiment oder Wahnsinn?

Inzwischen ist das „Gefahrengebiet“ zwar offiziell aufgehoben, am Montagabend fanden jedoch weiterhin willkürliche Polizeimaßnahmen statt. Ob die Aufhebung vor Ort etwas ändert, wird sich also erst im Laufe der Woche herausstellen. Zudem hat Olaf Scholz bereits vollmundig verkündet: Die Maßnahme hätte sich bewährt und „wird sich weiter bewähren“.

Während Hamburger SPD-Politiker*innen und Polizei krampfhaft versuchen, das „Gefahrengebiet“ als Erfolgsgeschichte zu verkaufen, bleibt uns nur die Frage nach dem Sinn.

Handelt es sich um ein Experiment, wie weit hierzulande gegangen werden kann, ungelöste politische Probleme, zunehmende soziale Spannungen und unkonforme politische Meinungen mit einer „Politik der harten Hand“ zu unterdrücken? Gerade in Zeiten einer marginalisierten parlamentarischen Opposition ist davon auszugehen, dass sich viele Konflikte auf die Straße verlagern werden.

Allerdings müsste ein solches Experiment in Hamburg wohl als gescheitert angesehen werden. Wir sollten jedoch im Hinterkopf behalten, dass auch die Bundeswehr inzwischen „Heimatschutz“-Brigaden für den Ernstfall einer „Aufstandsbekämpfung“ ausbildet.

Fakt ist: Die Vorkomnisse in Hamburg werden auch anderswo genaustens beobachtet. So warnen der Berliner Innensenator Henkel und der so genannte „Verfassungsschutz“ bereits vor Auswirkungen auf Berlin. Die Berliner Polizei sei „entsprechend sensibilisiert“.

Neben den Folgen für die Menschen vor Ort sind alleine der Glaubwürdigkeitsverlust des Staates und seines Gewaltmonopols sowie die daraus resultierenden Anfeindungen gegenüber der für ihn lebensnotwendigen Institution „Polizei“ Grund genug, von politischem Wahnsinn zu sprechen.

Von „ukrainischen Verhältnissen“ und einer „Blamage für Hamburg“ ist die Rede. Die US-Botschaft warnte ihre Bürger*innen vor dem „Gefahrengebiet“, in Spanien fanden Solidaritätskundgebungen statt, das russische Fernsehen zeigte Szenen eines Protestspaziergangs durch Hamburg, und Al Jazeera berichtete über den Online-Protest.

Trotz der erfolgreichen Profilierung als Hardliner kann all dies wohl kaum im Interesse von Olaf Scholz, Michael Neumann & Co. gelegen haben.

Unsere uneingeschränkte Solidarität gilt allen Anwohner*innen, deren Gästen und natürlich den Geflüchteten, für die auch nach der offiziellen Aufhebung des „Gefahrengebiets“ der polizeiliche Ausnahmezustand und rassistische Polizeikontrollen weiterhin zum Alltag gehören.

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